Rechtsempfinden? Einfach futsch!
Manches Urteil lässt einen zweifelnd zurück, manches gibt Hoffnung!
Es gibt Momente, da geht mir der Glaube an den deutschen Rechtsstaat flöten. So ganz im persönlichen Bereich, aber auch im Allgemeinen.
Was soll ich davon halten, wenn ein Duisburger Staatsanwalt eine Anzeige von mir unter anderem mit der Begründung einstellt, dass der jugendliche Täter bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist? Prima: Irgendwann ist immer das erste Mal. Der jugendliche Täter hatte als säumiger Mietzahler sich gewaltsam Zutritt zu nicht gemieteten Räumlichkeiten verschafft und erheblichen Schaden angerichtet.
Oder, wenn der Fahrer eines Kleintransporters auf der A7 ungebremst in einen stehenden Kleinwagen rast und diesen in mein Auto katapultiert und ich in einer Sekunde abrupt von 120 auf 0 gebremst werde. Solch Chrash machen normalerweise die inneren Organe nicht so einfach mit, meinte die Ärztin der Uniklinik Göttingen zu mir. Ich leide noch heute unter den Unfallfolgen. Wie es den beiden jungen Frauen aus dem Kleinwagen erging, weiß ich nicht, nur dass sie auch in der Uniklinik waren. Und die Göttinger Staatsanwaltschaft? Sie stellte das Verfahren gegen den jungen polnischen Fahrer gegen Zahlung von 300 Euro ein. Mich hätte schon interessiert, ob der Fahrer – es war Montagmorgen gegen 7.30 Uhr – aus Polen gekommen und der Unfall nach mindestens 470 Kilometern aus Übermüdung geschah. Hatte er am Steuer telefoniert oder war er anderweitig abgelenkt? Rechtsempfinden wieder futsch! Die gesundheitliche Unversehrtheit von drei Personen war der Staatsanwaltschaft gerade einmal 300 Euro wert! Die wurden natürlich prompt gezahlt.
Aber: Was sind schon meine persönlichen Befindlichkeiten gegen den Abgas-Skandal. Und doch: In Amerika geht es anders rund! Bereits 23 Milliarden Dollar hat VW der Diesel-Skandal dort gekostet. Oliver Schmidt, VW-Manager in den USA, zuständig auch für Umweltfragen, sitzt seit mehr als sechs Monaten in Haft. Er wurde jetzt in roter Häftlingskleidung und mit Fußfesseln dem Bundes-Richter in Detroit vorgeführt. Da er jetzt kooperiert und als Kronzeuge zur Verfügung steht, drohen ihm statt möglichen 169 Jahren Haft nur noch 7 Jahre und/oder 500 000 Dollar Geldbuße. Er hatte alles versucht: Freilassung auf Kaution – auch nicht gegen 1,6 Millionen Dollar wegen Fluchtgefahr -, Hafterleichterung – Medikamente, Lesebrille etc. fehlten – nur gegen Informationen. Aber, Oliver Schmidt hielt dicht. Bis jetzt. Sechs Monate Haft zeigten ihre Wirkung. Wie sagte mir mal ein Duisburger Staatsanwalt: Haft erzeugt Rechtsbewusstsein!
Und jetzt gibt es auch schon das erste Urteil: VW-Mitarbeiter James Robert Liang wurde in den USA zu drei Jahren und vier Monaten Haft und zu einer Geldbuße von 200.000 Dollar verurteilt. Das Urteil fiel milde aus, weil er über Monate intensiv mit den US-Justizbehörden zusammengearbeitet hatte. Allerdings, so der Richter nach Presseberichten, entschuldige dies nicht sein Verhalten; Liang habe die Gelegenheit verstreichen lassen, das Unternehmen zu verlassen oder den Betrug frühzeitig anzuzeigen.
Und hier in Deutschland? „Audi-Chef droht Verfahren“, titelte die ZEIT, um fortzufahren „Neue Vorwürfe gegen Rupert Stadler“. Ein von Audi im Februar fristlos entlassene Manager – der früher führender Motorenentwickler – sitzt erst seit Anfang Juli in Untersuchungshaft und wird in der Woche mehrmals von Beamten des Landeskriminalamtes befragt.
Wird das Verfahren auch gegen eine geringe Geldbuße eingestellt? Oder? Manchmal hat Amerika doch noch seine Vorbildfunktion.