Quo vadis Wählerbündnis „Bündnis für Bildung“? Oder: Was wurde denn da getürkt?

Veröffentlicht von Lutz Zimmermann am

Foto: Victoria Eminger

Als Mitglied des Rates der Stadt Mülheim war mir das Wählerbündnis „Bündnis für Bildung“ kein Begriff, bis auf Hasan Tuncer, der für dieses Wählerbündnis auch im Rat saß. Das änderte sich schlagartig, als sich Hasan Tuncer, Birgit Felderhoff und Andreas Marquardt zu einer Fraktion zusammenschließen wollten und mich dann auch nach einem Beitritt fragten. Wir gründeten die Fraktion „Bündnis für Mülheim“. Plötzlich meldete sich Ferit Sentürk bei mir, der mir als Mitglied des Integrationsrates für die „Internationalen Bürger Mülheims“ bekannt war. Nun stellte er sich als Vorsitzender des Wählerbündnisses vor und gab an, dass Hasan Tuncer immer noch Mitglied des Wählerbündnisses sei. Zwischenzeitlich war ich Fraktionsvorsitzender geworden und führte die Fraktion „Bündnis für Mülheim“ zur Fraktion „Bündnis für Bildung“. Dies hatte den Vorteil, dass das Wählerbündnis für die anstehende Kommunalwahl keine Unterstützerunterschriften einwerben muss. Dies sieht das Gesetz so vor, wenn eine Partei oder Wählerbündnis ununterbrochen vor der Wahl dem Rat angehört hat. Dies erfüllte Hasan Tuncer für das Wählerbündnis „Bündnis für Bildung“.

Was ich mir nicht vorstellen konnte war, wie desolat das Wählerbündnis geführt wurde: Kein satzungsgemäßer Vorstand, keine aktuelle Mitgliederliste, kein Beitragswesen und ein Internetauftritt aus dem Jahre 2014!

Also packte ich auch das an! Wer wird eingeladen zu einer Mitgliederversammlung? Ganze sieben Namen umfasste die Liste, die mir Ferit Sentürk ausdruckte. Die konnte nicht stimmen, da der stellvertretende Vorsitzende Emin Arslan nicht einmal auf dieser Liste stand. Also weitersuchen: 2014 waren es doch noch 28 Namen. Zwei Kandidaten wurden noch für den Vorstand gebraucht, da er laut Satzung mindestens aus fünf Personen bestehen muss. Die Kontoverbindung musste neu aktiviert werden. Einladung, Tagesordnung und Satzungsänderungen für die notwendige Mitgliederversammlung wurden formuliert: Doch die Einladung für den 26. Februar wurde vom Vorsitzenden nicht verschickt. Dafür kam Corona! Die Mitgliederversammlung fand somit erst am 28. Mai unter den besonderen Bedingungen statt. Ganze fünf Altmitglieder erschienen, aber auch drei Neulinge. Aber: Es wurde eine Mitgliederliste mit 16 Mitgliedern vorgelegt!

Hasan Tuncer und Andreas Marquardt wurden in den Vorstand gewählt, der ab diesem Zeitpunkt endlich satzungsgemäß war! Jetzt sollten alle Mitglieder eine Beitragsrechnung mit anschließendem Mahnwesen erhalten. Laut Satzung endet eine Mitgliedschaft ohne schriftliche Austrittserklärung unter anderem, wenn nach zweimaliger Mahnung keine Beitragszahlung erfolgt. Die entsprechenden Briefe sind bis heute nicht verschickt worden.

Der Vorstand lud zur Wahlversammlung zum 3. Juni ein. Auf einmal erschienen 20 „Mitglieder“ und wählten die Kandidaten für die Wahlkreise und die Reserveliste. Ich nahm an der Veranstaltung nicht teil, schrieb aber an den Vorstand: 16 Mitglieder und 20 haben gewählt?

Die Veranstaltung wurde auf Beschluss in der Vorstandssitzung am 10. Juni annulliert; angeblich waren nicht alle Mitglieder eingeladen worden. Auf Nachfrage zu den vielen unbekannten Namen auf der „Anwesenheitsliste/Mitgliederliste“ meinte Ferit Sentürk lapidar: „Die wollen alle bei uns mitmachen.“ Auf dieser einzigen Vorstandssitzung am 10. Juni nach der Mitgliederversammlung diktierte Ferit Sentürk die Namen von 15 Interessenten in das Protokoll und wurden so zu „Mitgliedern“, ohne dass auch nur ein Aufnahmeantrag vorlag, noch dass eine in der Satzung vorgeschriebene Überprüfung auf Mitgliedschaft in einer konkurrierenden Vereinigung stattfand. Hasan Tuncer legte als Vorstandsmitglied Widerspruch gegen dieses Verfahren ein.

Gut, gehe ich von den 16 Mitgliedern aus, die das Wählerbündnis vor dieser Vorstandssitzung gehabt haben soll. Rechne ich jetzt die 15 „Neumitglieder“ hinzu, bin ich bei 31. Wie kommt das Bündnis für Bildung dann aber auf 57 Mitglieder? Die stehen alle auf der von Ferit Sentürk zur Wahlversammlung am 29. Juni vorgelegten Mitgliederliste. Eine Vorstandssitzung zur Aufnahme weiterer Mitglieder – sie soll laut Satzung mindestens einmal pro Monat stattfinden – fand nicht mehr statt. Jetzt wurden an zwei Tagen alle Kandidaten für die Wahlkreise, die Reserveliste und die Bezirksvertretungen gewählt.

Hasan Tuncer wurde erst einmal zum Versammlungsleiter gewählt und wollte die Stimmberechtigung der Anwesenden feststellen. Das passte nicht ins Konzept. Er wurde abgewählt und durch Birgit Felderhoff ersetzt, die die vorgelegte „Mitgliederliste“ mit 57 Mitgliedern akzeptierte. Ein anwesendes CDU-Mitglied meinte: „Hier herrscht ein Demokratieverständnis nach nordkoreanischem Vorbild“. Ich, als Fraktionsvorsitzender, hatte mich für den Wahlkreis 22 – Broich Nord – gemeldet und stand auch auf dem Wahlzettel der später annullierten ersten Wahlversammlung. Auf dem Wahlzettel bei der Wahlwiederholung stand plötzlich ein anderer Kandidat für den Wahlkreis 22. Ich war damit ganz aus dem Spiel, da ich das erst merken konnte, als die Wahlzettel mit den vorgedruckten Namen verteilt wurden.

Wie und nach welchen bei der Stadt zur Prüfung eingereichten Unterlagen das Wählerbündnis „Bündnis für Bildung“ für die Kommunalwahl im September zugelassen werden konnten, bleibt mir schleierhaft. Im doppelten Sinn wurde vermutlich getürkt: Einmal durch Nichtmitglieder bei der Wahlversammlung um Ferit Sentürk als Spitzenkandidat für die Moscheevereine zu etablieren und dann bei Einreichung der Unterlagen beim Rats- und Rechtsamt, um das Wählerbündnis für die Kommunalwahl zulassungswürdig zu machen.

Ich erfuhr kurz vor der Wahlversammlung, dass Ferit Sentürk Vorstandsmitglied der extremistischen, „türkischen“ Vereinigung „GRAUE WÖLFE“ ist und ein weiteres Vorstandsmitglied beim Wählerbündnis Mitglied ist. Das war für mich ein Tiefschlag! Ich hatte im Urlaub genügend Zeit, meinen Entschluss zu überdenken: Ich habe meinen Aufnahmeantrag beim Wählerbündnis „Bündnis für Bildung“ zurückgezogen.

Kategorien: Mülheim