Offener Brief an Ferit Sentürk

Offener Brief an Ferit Sentürk
Vorstandsmitglied der Mülheimer GRAUEN WÖLFE
Vorsitzender und Spitzenkandidat der Wählergemeinschaft Bündnis für Bildung
Hallo, Ferit,
natürlich hat jeder seine Sicht auf die Entzweiung von uns beiden, aber es fällt dir wohl schwer, es nur sachlich zu sehen, wie es die Wochenendausgabe der Mülheimer Woche zeigt.
„Eine gewisse Arroganz“ von mir, die vielen Mitgliedern nicht behagt habe. Was soll das? Die allermeisten deiner Mitglieder kennen mich gar nicht. Sie waren nur am Abend der Wahlversammlung – als ca. 30 Personen den Saal füllten – plötzlich da. Ich hatte sie vorher auf keiner Mitgliederversammlung je gesehen, noch hat der Gesamtvorstand jemals deren Aufnahmeanträge zu Gesicht bekommen. Am zweiten Tag der Wahlversammlung wurde es dann mit zehn Mitgliedern auch wieder übersichtlich. Ich hatte auch nicht vor, noch einmal zu kandidieren und habe auf der Wahlversammlung nicht ein einziges Wort öffentlich gesagt. Ich habe mich lediglich im Vorfeld als Direktkandidat für den Wahlkreis Broich-Nord zur Verfügung gestellt, weil immer befürchtet wurde, dass die Wählergemeinschaft mangels Masse nicht genügend Kandidaten für alle Wahlkreise benennen kann.
Nennst du das Arroganz, wenn ich über Jahrzehnte Ausländern bei deren Problembewältigung beigestanden habe? Angefangen hat das bereits 1962, als ich mit selbstgebackenem Kuchen ägyptische Arbeiter in deren Unterkunft an der Steinmetzstraße besuchte. In den letzten Jahren habe ich auch türkischen Vereinen geholfen, wenn sie Probleme mit Behördenbriefen hatten, türkischen Selbständigen beigestanden, wenn Bußgeldbescheide zu beantworten waren, wenn Bauanträge gestellt werden sollten; schnell mal einer türkischen Familie mit Kleinkindern eine Kochgelegenheit besorgt, weil das Geld für ein Ersatzherd nicht vorhanden war. Ja, selbst bei der Mülheimer Ausländerbehörde habe ich für türkische Gäste gebürgt, weil sie die Unterlagen für ein Einreisevisum benötigten. Bis hin, dass ich türkischen Geschäftsleuten Geld geliehen habe, damit sie einen finanziellen Engpass kurzfristig überbrücken konnten. All das aus einer gewissen arroganten Haltung heraus?
Ich war es, der als erster Mülheimer Politiker mit der Ahmadiyya-Gemeinde das Gespräch suchte, als sie eine Kirche in Heißen in eine Moschee umwandeln wollten. Ja, damals war ich Mitglied der AfD. Ich habe die AfD zusammen mit Prof. Bernd Lucke, Olaf Henkel und vielen mehr verlassen, als die Partei ihren Rechtsruck vollzog.
Bürgerkriegsflüchtlingen habe ich nicht erst seit 2015 geholfen. Vor über 10 Jahren sollte eine jugoslawische Flüchtlingsfamilie wieder in „ihre Heimat“ abgeschoben werden. Ich setzte mich gerne und erfolgreich für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ein. Die Familie hat vom ersten Tag bis heute nicht einen Betrag an Sozialleistung beantragt oder bezogen, sind voll integriert und sowohl Tochter als auch Mutter haben heute die deutsche Staatsangehörigkeit.
Ich könnte die Auflistung beliebig fortsetzen. Wo siehst du eine „gewisse Arroganz“?
Du bist noch nicht lange im politischen Geschäft, sonst wüsstest du, dass man sich Eitelkeit auf dem politischen Parkett schnell abgewöhnt. Und ich bin 1969 in eine Partei eingetreten.
Ich bewege mich „auf dünnem Eis“, wenn ich die GRAUEN WÖLFE, deren Mülheimer Vorstandsmitglied du bist, als rechtsradikale, türkische Vereinigung bezeichne? Google einmal GRAUE WÖLFE: „GRAUE WÖLFE ist die Bezeichnung für türkische Rechtsextremisten ……..“ oder auch: „GRAUE WÖLFE – die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland“. Du findest aber auch, dass deine Vereinigung vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Dass du den GRAUEN WÖLFEN angehörst und sogar im Mülheimer Vorstand sitzt, weiß ich erst seit dem 9. Juli nach einer Übersetzung aus dem Türkischen.
Du meinst, man solle sich das Kommunalwahlprogramm der Wählerinitiative ganz genau durchlesen: „Wir garantieren, dass dort keine einzige rechtslastige Position vertreten oder gar propagiert wird. Wir befinden uns ganz und gar in der Mitte des politischen Spektrums.“ Wer hat denn das Kommunalwahl-programm geschrieben? Aus gutem Grund du nicht! Copy and paste von einem anderen Programm? Wenn es stimmt, dass Andreas Marquardt es geschrieben hat – was behauptet wird -, dann stimmt es, dass keine rechte Position gefunden wird: Andreas Marquardt zeichnet verantwortlich für das 52-seitige Wahlkampfprogramm 2014 für DIE LINKE. Aber: Wer hat denn das Wahlkampfprogramm beschlossen? Nicht der Vorstand und auch keine Mitgliederversammlung. Wo kann ich es aber lesen? Kein Mitglied hat es zugeschickt bekommen und im Internet kann ich es auch nicht finden! Scheut ihr euch davor, dass euer Programm nur eine aktualisierte Kurzfassung des 2014-ner Programms der DIE LINKE ist oder ist euer Programm sogar auch 52 Seiten stark?
Du betonst, „dass das Rats- und Rechtsamt keine wahlrechtlichen Fehler moniert habe.“ Nun, ihr seid zur Kommunalwahl zugelassen. Das Rats- und Rechtsamt ist nicht die Staatsanwaltschaft. In der Vorlage des Rats- und Rechtsamtes zur Wahlausschusssitzung steht über die Wählergemeinschaft: „Die vorgebrachten Einwände beziehen sich auf satzungs- und vereinsrechtliche Formfehler des Vorstandes der Wählergruppe, die in Summe nicht unerheblich und auch bedenklich sind.“ Und zu einer Nachfrage heißt es abschließend: „Diese Diskrepanz hat die Wählergruppe trotz mehrfacher Aufforderung bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufgeklärt.“ Auch deshalb habe ich Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Duisburg gestellt.
Der Artikel schließt: „Den beiden derzeit noch agierenden Ratsherren Tuncer und Zimmermann gegenüber können wir nur unsere Enttäuschung über deren Verhalten auch im mitmenschlichen Bereich aussprechen.“ Ferit, ich weiß, du hast das alles aus gutem Grund schriftlich dem Redakteur geschickt. Nur solltest du deine Einlassungen von jemanden schreiben lassen, der die Mülheimer Verhältnisse und die handelnden Personen kennt. Wer sind „wir“, die enttäuscht sind? Die handelnden Ratsherren sind neben den beiden genannten auch noch Andreas Marquardt und die Ratsfrau Birgit Felderhoff. Wir vier haben auch noch der letzten Ratssitzung als Fraktion beigewohnt. Was das Verhalten im mitmenschlichen Bereich anbelangt solltest du wissen – salopp ausgedrückt – : Ich lasse mich nicht verarschen und kämpfe für unsere Demokratie nach unseren Gesetzen!
Mit gebotener Achtung
Lutz